Nicaragua – mit langem Atem zurück zur Spitze
Zugegeben: Man muss schon ein echter Aficionado sein, um die Bedeutung von Nicaragua als einem der wichtigsten Länder in Sachen Tabakanbau und Zigarrenmanufaktur zu ermessen. Es gab sogar einmal eine Zeit, viele Jahrzehnte her, da raunten sich die Zigarrenliebhaber der Welt zu, dass nicaraguanische Zigarren den kubanischen nahezu ebenbürtig seien. Niemand wollte damals wohl ernsthaft einer Habano ihren Rang streitig machen – der unangefochtenen Nummer eins. Aber die Bewunderung für die Leistungen der Zigarrenindustrie von Nicaragua war schon sehr hoch. Manche prophezeiten gar, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis man die kubanischen und nicaraguanischen Zigarren hinsichtlich Aromaentfaltung und Qualität kaum mehr würde unterscheiden können. Doch die Geschichte hat dem zentralamerikanischen Land übel mitgespielt: Es ist nicht nur eines der ärmsten Länder weltweit, auch der Bürgerkrieg Ende der 1970er Jahre sowie häufige Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, Erdbeben oder Wirbelstürme wie der verheerende Hurrican Mitch, der 1998 in Nicaragua eine Spur der Verwüstung hinterließ, bedeuten immer wieder Rückschläge für dieses naturschöne Land mit seiner atemberaubenden Tier- und Pflanzenwelt.
Der dornige Weg zur Weltspitze
Mit der kubanischen Revolution wurde ein neues Kapitel in der Geschichte der Zigarrenherstellung geschrieben. Auswanderer, die ihr Wissen über Tabakanbau und Zigarrenmanufaktur mitnahmen, ließen sich auch in Nicaragua nieder und gründeten neue Zentren der Tabakherstellung. An erster Stelle ist wohl die Familie Oliva zu nennen, die ebenso wie im benachbarten Honduras hierzulande wahre Pioniertaten vollbrachte. Denn nicht zuletzt aufgrund der sehr guten klimatischen und geographischen Verhältnisse waren sie in der Lage, in großem Rahmen die öligen Deckblätter für jene Zigarren anzubauen, die nach kubanischer Art bislang nur in Honduras gezüchtet werden konnten. Zigarren aus Nicaragua haben einen vollen Körper, die aromatisch-würzigen Einlageblätter, die oft aus kubanischen Saaten gezogen werden, werden vor allem im Jalapa-Tal im Nordwesten angebaut, nicht weit von der Grenze Honduras’ entfernt. Man findet sie deshalb besonders häufig in den Einlagemischungen honduranischer und dominikanischer Zigarren. Aber auch im zweiten Anbaugebiet des Landes, dem Estelí-Tal, einem weiteren Herz der heimischen Zigarrenindustrie, werden hervorragende Tabake geerntet. Das Esteli-Tal bringt Tabak der kräftigeren Art hervor, der als Ligerotabak einen verfeinernden Beigeschmack bewirkt. Es wird sicherlich kein Zufall sein, dass beide Regionen fast auf demselben Längengrad mit dem kubanischen Vuelta-Abajo-Tal liegen – das Herkunftsgebiet für Premiumzigarren. Und man kann mittlerweile mit Fug und Recht sagen, dass nach Jahrzehnten der Stagnation das Land auf einem guten Weg ist, zurück an die Weltspitze der Zigarrenindustrie zu finden.
Das Juwel Nicaraguas
Neben Kuba und der Dominikanischen Republik ist Nicaragua das drittwichtigste Zigarrenherstellungsland der Welt. Marken wie Oliva, Cain, NUB, Alec Bradley und Casa de Torres werden hier gerollt. Das einstige Aushängeschild des Landes, und auch heute noch eine führende Marke Nicaraguas, ist die Joya de Nicaragua – das Juwel Nicaraguas. Einst galt sie als beste nicht kubanische Marke überhaupt! Allerdings führten die oben beschriebenen Probleme nach und nach zu einer Qualitätsminderung. Dennoch bieten Zigarren dieser Marke noch immer einen hervorragenden Genuss bei einem leicht pfeffrig-milden bis mittelstarken Geschmack. Als landläufig beste Marke Nicaraguas gilt heute die José Martí – noch nicht so lange auf dem Markt wie der dominikanische Namensvetter. Ihre Zigarren weisen einen vollen Körper in kubanischem Stil auf. Padrón ist eine Marke, bei der Qualität und Auswahl an oberster Stelle stehen. Mindestens vier Jahre müssen die Blätter reifen, die dann zu milden bis mittelstarken Zigarren verarbeitet werden.
Durch Ihre Aromenvielfalt und Würze erfreuen sich nicaraguanische Zigarren auch bei dem eingefleischten Kubaraucher immer größerer Beliebtheit.

